12. Klasse: Andere schreiben Abitur –
wir machen Theater

Die 12. Klasse der Rudolf-Steiner-Schule Gröbenzell inszeniert zusammen mit ihrer Theaterpädagogin Kirsi Talvela das Stück „Vorher/Nachher“ frei nach Roland Schimmelpfennig.

Gröbenzell: Die durchschnittlichen 12. Klässler sind gerade im Abiturstress, in der Waldorfschule sieht das ein wenig anders aus, hier haben die 12. Klässler keinen regulären Unterricht. Vier Wochen lang fallen alle Fächer wie Mathe, Deutsch und Geschichte aus und stattdessen wird Theater gespielt. Den krönenden Abschluss der Theaterarbeit stellen die drei, jeweils um 19:00 Uhr beginnenden Abendaufführungen dar: Am Mittwoch, den 16., Donnerstag, den 17. und Freitag, den 18. März 2016 wird „Vorher/Nachher“ frei nach Roland Schimmelpfennig im großen Saal der Waldorfschule (Spechtweg 1, 82194 Gröbenzell) gespielt.

theater12_161Die Vorbereitungen haben schon vor einem Jahr begonnen, als es darum ging, ein passendes 12. Klassstück zu finden. „Wir Schüler hielten insgesamt rund 20 verschiedene Theaterreferate und entschieden uns anschließend mit einer basisdemokratischen Wahl für ‚Vorher/Nachher‘“, erzählt die 17 jährige Clara Pollok. Das Stück selbst wirft trotz Humor einen schonungslosen Blick auf unsere heutige Gesellschaft. So gut wie alle Figuren stehen an einem Wendepunkt und nicht wenige erleben ein Scheitern auf der Suche nach ihrem Ich. Rahmenbedingungen von „Vorher/Nachher“ sind unter anderem Beziehungen mit Kommunikationsschwierigkeiten, aber auch Surreales.

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Gerade bei so einem modernen, collagenhaften Stück ist es wichtig, dass Beleuchtung, Bühnenbild und Kostüm einen roten Faden herstellen. All diese Aufgabenbereiche stemmen einzig Schüler. Clara selbst ist mitverantwortlich für das Bühnenbild: „Wir haben uns ziemlich schnell dazu entschieden alles schlicht zu halten. Orientiert an den bühneneigenen, cremeweißen Seitenvorhängen strichen wir unsere 10 Ikea-Stühle und das Bett mit insgesamt 40 Quadratmetern Farbe.“ Eine Herausforderung bot der mehrfach im Stück erwähnte Isenheimer Altar. „Den Plan, einen Abdruck des Originals an die Bühnenrückwand zu hängen, mussten wir schnell aufgeben, denn weder das Internet noch ein Museum lieferten uns eine bezahlbare Lizenz.“ Als Clara ihren Vater wegen der Bühnenbildproblematik nach umsetzbaren Ideen fragte, zeichnete dieser spontan eine Jesusabstraktion. „Auf einen knapp vier Meter langen cremeweißen Stoff übertrugen wir seine Zeichnung und haben nun unseren individuellen Isenheimer Altar im Stil des restlichen Bühnenbilds,“ erzählt Clara begeistert.

theater12_163„Am Anfang war zwar niemand gegen das Stück, aber wirklich begeistert davon waren eigentlich nur 36% unserer Klasse, jetzt aber, durch die Theaterintensivzeit, stehen wir alle 100 prozentig dahinter,“ so Clara, der das Stück am Anfang komplett fremd war. „Mit der Zeit spielt es keine Rolle mehr, inwiefern ‚Vorher/Nachher‘ deine erste Wahl war oder nicht, denn für den Gruppenprozess ist deine Präsenz notwendig“. Ähnliche Erfahrungen machte Hannah mit der Beleuchtung: „Ohne meine Rolle kann nicht ordentlich geprobt werden und ohne vollständige Szenenaufzeichnungen können wir keine Beleuchtung einstellen. Hier werde ich gebraucht, hier trage ich Verantwortung, hier muss ich da sein. Aber ob ich da irgendwo hinten drinnen im Matheunterricht sitze oder nicht, stört niemanden.“
Bei solch einem Gruppenprojekt spielt jeder Schüler eine ganz andere, für das Gelingen aber unverzichtbare Rolle. Durch die Theaterarbeit wird die Eigenverantwortung der Schüler gestärkt, die Individualität jedes Einzelnen genutzt, statt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gesetzt.

Inhaltliche Ansprechpartnerin 
Hannah Imhoff
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Fotos
Niki Probst, Mirijam Matthias,
Lea Mast & Iris Wildenauer